
Von Bauchentscheidungen, emotionalen Bildern und der neuen Angst vor Sanierungen
Immobilienkäufe galten lange Zeit als rein rationale Entscheidungen – Quadratmeter, Lage, Zustand, Preis. Doch in der Praxis zeigt sich immer deutlicher: Der eigentliche Kaufimpuls entsteht emotional. Und dieser emotionale Zugang hat sich in den letzten Jahren stark verändert – mit teils drastischen Folgen für den Immobilienmarkt.
Die Psychologie hinter der Kaufentscheidung
Wissenschaftliche Studien belegen: Beim Immobilienkauf entscheidet oft nicht der Kopf, sondern das Bauchgefühl. Schon beim ersten Betreten eines Hauses oder beim Scrollen durch Exposé-Bilder formt sich ein emotionaler Eindruck. Passt das Gefühl, wird die rationale Argumentation oft nachgeliefert – nicht umgekehrt.
Menschen suchen heute nicht nur „eine Immobilie“, sondern ein Lebensgefühl. Ein Ort, der zu ihrem Selbstbild passt, zu ihren Vorstellungen von Sicherheit, Lifestyle und Zukunft. Besonders stark spüren wir das als Makler:innen in der Kommunikation mit privaten Kaufinteressenten.
Wandel zum Heute: Warum sich sanierungsbedürftige Objekte schwerer verkaufen
Noch vor 10–15 Jahren waren sanierungsbedürftige Immobilien für viele Menschen ein „geheimer Schatz“: günstiger Kaufpreis, viel Gestaltungsspielraum, ein Stück Individualität. Heute ist das anders – und das hat mehrere Gründe:
- Unsicherheit & mangelnde Vorstellungskraft
Viele Käufer:innen können sich den „Zustand nach der Sanierung“ nicht mehr vorstellen. Gerade jüngere Zielgruppen sind visuell geprägt: Sie erwarten stylische Räume wie auf Instagram – und nicht das „Projekt Baustelle“. Die Fähigkeit, Potenzial zu erkennen, ist seltener geworden.
- Steigende Sanierungskosten & Fachkräftemangel
Die Sanierungskosten sind massiv gestiegen. Dazu kommt: Handwerker sind schwer verfügbar, Termine liegen oft Monate in der Zukunft, und die Preise sind schwer kalkulierbar. Das schreckt viele Käufer ab – besonders jene, die nicht selbst im Bauwesen tätig sind.
- Energetische Auflagen & Unsicherheit durch Gesetzesänderungen
Mit der Einführung neuer Energiegesetze, Förderprogramme, Wärmepumpenpflichten usw. ist die Verunsicherung groß: Was muss wirklich gemacht werden? Was kostet das? Bekomme ich Förderung? Viele fürchten hohe Zusatzkosten und mangelnde Planbar-keit.
- Verändertes Käuferverhalten: Komfort statt Abenteuer
Die neue Käufergeneration legt mehr Wert auf Komfort, Zeitersparnis und klare Strukturen. Der Gedanke „Wir renovieren uns das schon schön“ wird seltener – stattdessen heißt es: „Wenn wir so viel Geld ausgeben, soll es auch sofort passen.“
Was bedeutet das für Verkäufer:innen?
Wenn du eine ältere, renovierungs-bedürftige Immobilie verkaufen möchtest, braucht es mehr als nur Fakten – es braucht eine gute Geschichte und kluge Inszenierung. Denn Käufer:innen wollen nicht den Zustand jetzt kaufen – sie wollen den Zustand nachher spüren.
Fazit: Emotion schlägt Substanz – aber nur auf den ersten Blick
Eine Immobilie verkauft sich heute nicht (nur), weil sie „gut in Schuss“ ist oder Potenzial hat – sondern, weil sie ein Gefühl trifft. Als Maklerin oder Verkäufer:in ist es deshalb wichtiger denn je, nicht nur die Fakten zu zeigen, sondern das emotionale Kopfkino der Käufer:innen zu bedienen.
Denn am Ende kaufen Menschen nicht vier Wände – sie kaufen eine Vorstellung vom Leben darin.